Für die befreite Gesellschaft.

Bei #unteilbar rufen IslamistInnen nicht nur zur Beteiligung auf, sie wurden von Beginn an eingebunden. Eine Distanzierung von ihnen wird vom Bündnis aber auch nach Kritik nicht unternommen. Das Bündnis folgt vielmehr der bekannten Linie, bei der Muslim*Innen primär als Opfer gesehen werden und weniger als eigenständige politische Subjekte, die es in manchen Fällen auch zu kritisieren oder, wie bei Grauen Wölfen oder Millî Görüş, zu bekämpfen gilt.

Das ist besonders traurig, da momentan eine Mobilisierung der freiheitlich-gesonnen „Zivilgesellschaft“ durchaus notwendig erscheint. Die AfD sitzt in diversen Parlamenten und droht ungebremst von ihrer inneren Faschisierung noch an Kraft zu gewinnen.
Sofern das Morgenrot nicht dämmert, scheint in solchen Zeiten die Verteidigung der bürgerlichen Gesellschaft, als bestes bisher erreichtes, daher angebracht. Beim Schulterschluss mit IslamistInnen kann genau das jedoch nicht gelingen. Sie sind FeindInnen auch der bürgerlichen Aufklärung.

Wenn sich emanzipatorische Linke also entscheiden trotzdem an der morgigen Demonstration teilzunehmen, so sollte man den Versuch unternehmen sich mit Transparenten oder Ähnlichem gegen die Beteiligung von IslamistInnen und Antisemit*Innen zu positionieren. Da die Demonstration wohl Zusammenkunft diverser potentieller Genoss*innen wird, kann die Gelegenheit auch genutzt werden um gutes Infomaterial unter diese zu bringen.

Unabhängig vom morgigen Verhalten (manche von uns werden wohl kommen) halten wir es für wichtig, dass eine Linke, die mehr sein will als sozialdemokratisch, auch Klarheit über die Grundausrichtung von #unteilbar und ähnlicher Veranstaltungen hat.
Wenn das Bündnis sich gegen “eine dramatische politische Verschiebung” wendet, zeigt es sich als Verteidiger des Status Quo. Im Kern ist es bürgerlich und so unterbleibt eine Kritik grundlegender Verhältnisse.
Rassismus, Nationalismus, Antisemitismus werden primär als “Diskriminierungen” gefasst. Als ursächlich für Ausgrenzung angegeben, erklärt man diese so zum therapierbaren Problem. Nach Ideologie, ihrer Werdung mit und in der Gesellschaft, wird dann jedoch nicht gefragt. Das Rassismus unter Anderem ökonomische Unterschiede naturalisiert, bei modernem Antisemitismus das abstrakte Moment der kapitalistischen Gesellschaft durch das Bild vom “verschwörenden und raffenden Juden” personifiziert wird: Solche Überlegungen entziehen sich weitgehend der Betrachtung. Unbeachtet muss so auch bleiben, dass der Wunsch auf einem national regulierten Markt beim Verkauf der eigenen Arbeitskraft nicht auch noch mit Geflüchteten konkurrieren zu müssen, nicht nur Folge individueller Menschenfeindlichkeit, sondern auch marktwirtschaftlich rational sein kann.
Um von “seinem” Staat das schließen von Grenze zu fordern, muss ein*e Staatsbürger*in daher nicht notwendig rassistisch sein. Rassismus bietet jedoch jenseits des verpönten Egoismus vermeintlich eine Rechtfertigung das dramatische Sterben an den Außengrenzen geschehen zu lassen.
Der Nationalstaat, als Sozial- und Rechtsstaat auch vom Bündnis angerufen, verbrieft Rechte qua Konstitution eben in erster Linie Staatsbürger*innen. Weder Deutschland noch die EU können sich gleichermaßen für Geflüchtete wie für Bürger*innen interessieren. Gerade auch die vom Bündnis gepriesenen Menschenrechte postulieren in ihrer “Allgemeinen Erklärung” die Freiheit der Marktsubjekte, Garantie des Privateigentums und die polizeiliche Sicherheit der Transaktionen. Sie werden von Staaten durchgesetzt und dienen, auch wenn ihnen ebenfalls ein menschenfreundlicher Gehalt innewohnt, nicht zuletzt der Wahrung der Warengesellschaft.

Dass mit ausschließlich phrasenhaften Parolen gegen “Staat, Nation & Kapital” eine linke Position unter #unteilbar einen Ausdruck finden kann, glauben wir entsprechend nicht. Zumal die offene Kritik an IslamistInnen zuvorderst forciert werden sollte. Unabhängig von dieser inhaltlichen Außenwirkung bleibt ein Problem: Eine geringe Beteiligung an der Demonstration könnte als rechter Sieg und trotz bürgerlicher Ausrichtung als unsere Niederlage erscheinen. Mit hörbarer linker Kritik muss dem nicht so sein.

(Für Kritik und Anregungen sind wir bei diesem schwierigen Thema wie immer dankbar.)