Anwohnerbrief zu den „Grauen Wölfen“

Liebe NachbarInnen,

erschrocken mussten wir feststellen, dass sich in unserer Nachbarschaft eine Versammlungsstätte der rechten, türkisch-nationalistischen Bewegung der „Grauen Wölfe“ befindet: In der Neuendorfer Str. 101 ist der Verein „Hoca Ahmet Yesevi Camii“ beheimatet.

Dieser „Türkische Kulturverein“ ist Mitglied des ADÜTDF (Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland), einem Dachverband, der Sammelbecken für in Deutschland lebende und agierende türkisch-sprachige Rechte ist. Die Mitgliederzahl des Verbandes wird auf bis zu 10.000 geschätzt. Damit stellt er neben der AfD die in Deutschland mitgliederstärkste extrem rechte Organisation dar.
Ihr Erkennungszeichen ist ein Grauer Wolf. Er ist beliebts Flaggenmotiv und die Anhänger grüßen sich mit dem sogennanten Wolfsgruß. Ihre offizielle Selbstbezeichnung lautet hingegen Ülkücüs (dt: Idealisten).

Das Ziel dieser Bewegung ist eine sich vom Balkan über Zentralasien bis in den Westen des heutigen Chinas erstreckende türkisch-islamische Nation. Ihre Bewunderung gilt den Natio-nalsozialisten des Deutschen Reiches, mit denen sie wesentliche Positionen und Feindbilder gemeinsam haben. Zu den Letzteren, den erklärten Feindbilder der Bewegung, gehören unter Anderem Kurden, Juden, Christen, Armenier, Griechen, Homosexuelle, die EU, der Vatikan und die Vereinigten Staaten. Nicht zuletzt wird alles Linke mit brutaler Gewalt bekämpft.

Während die Bewegung in der Türkei bereits unzählige Morde an den genannten Bevölker-ungsgruppen beging und diverse Anschläge verübte, sind in Deutschland solche Gewaltakte bisher selten. Die hiesigen Gegebenheiten werden jedoch intensiv genutzt um die menschenfeindliche Gesinnung zu propagieren und der Bewegung Infrastruktur und Geld zur Verfügung zu stellen. Ein besonderer Fokus liegt auf dem Versuch, türkischsprachige Jugendliche bei Vereins-aktivitäten zu indoktrinieren.

Ein Kernstück der Ideologie der Grauen Wölfe ist der Nationalismus, eine Ideologie der Spaltung: An Stelle des gemeinsamen Strebens für eine solidarische und freie Welt, in der der kapitalistische Zwang zur Konkurrenz gemeinsam überwunden wird, setzt er unüberwindbare Grenzen zwischen Menschengruppen und kon-struiert wettstreitende Nationalstaaten. Während der Freiheit zugewandte Menschen wissen, dass es einheitliche Kollektive von „Deutschen“ oder „Türken“ nicht geben kann, sondern wir alle unterschiedliche Individuen sind, fantasieren die Grauen Wölfe von der Einheit und Überlegenheit einer „türkischen Rasse“.

Eng damit verbunden ist ihr Islamverstädnis. Es ist geprägt von Arroganz und Rassismus und behauptet die Untrennbarkeit von „Türkentum“ und Islam. Ihre Vorstellung ist, dass dem „Türkentum“ aufgrund „besonderer kultureller“ Eignung ein Führungsanspruch über die gesamte islamische Welt zukomme und einem Türken eine übergeordnete Position gegenüber anderen Menschen im Allgemeinen, aber im Besonderen gegenüber anderen Muslimen zustehe.

Während zwar fast alle Ausprägungen von Religion das Glück auf ein „Leben nach dem Tod“ verschieben und sich damit der Befreiung der Gesellschaft im hier und jetzt in den Weg stellen, wird der Glaube der Grauen Wölfe so zu einem Vehikel der Menschenfeindlichkeit.

Der Überfall des türkischen Staates auf die links-demokratischen kurdischen Gebiete, das einzige Bollwerk gegen die Barbarei des Islamischen Staates (IS), wird von den Grauen Wölfen entsprechend ihrer Ziele und Ideologien entschieden unterstützt: Die ebenfalls zur Bewegung gehörende Regierungspartei MHP bereitete den Angriffskrieg bereits seit Monaten propagandistisch vor und trägt ihn nun auf parlamentarischer Ebene mit. Auf den Straßen der türkischen Städte attakieren militante Anhänger der Grauen Wölfe Linke und alle als „untürkisch“ Wahrgenommenen. Dabei kommt es nicht erst seit dem Angriff zu zum Teil engen Kooperationen mit den Unterstützern des Islamischen Staates (IS). Selbst einige aus Deutschland in den Dschihad Gezogene wurden zuvor in den Jugendgruppen der Grauen Wölfe sozialisiert.

Wir sind es unseren die Freiheit und das Leben liebenden Freunden auf der Welt schuldig uns auch Faschisten in den Weg zu stellen, deren Agieren für uns selbst keine direkten Konsequenzen hat, aber für unsere Freunde das Verderben bedeuten kann.
Eine bessere Welt wird nur möglich sein, wenn wir uns in Solidarität über Staatsgrenzen hinweg üben und nicht zulassen, dass in unser Nachbarschaft für das Verderben agitiert wird.

Für die Freiheit! Für das Leben!

Dieser Text ist als AK-Westberlin entstanden.